Jacques Kluger wurde am 23. Januar 1912 in Antwerpen geboren. Sein Vater Maurice, ein 1883 in Wisjnicz in Galizien (heutige Polen) geborener Diamantenhändler, richtete sich 1905 in Antwerpen ein. Er nahm and der Gründung der Diamantenbörse teil, und heiratete dort Rosa Steger, 1889 geboren.
Jacques wurde in Antwerpen groß – in der damals die größte jüdische Gemeinschaft Belgiens untergebracht war – wo er sich dem Tennis und dem Billard widmete. Nach der Rückkehr seiner Familie aus einem Exil in den Niederlanden während des Ersten Weltkrieges schloss Jacques die Schule ab und lernte neben seiner Muttersprache, das Flämische, nicht weniger als vier Sprachen: Französisch, Englisch, Deutsch, Jiddisch (das ihm auf Geschäftsreisen von großem Wert war und ihm ermöglichte, mit seinem Vater besser zu kommunizieren). Jedoch setzte Jacques kein Hochschulstudium fort und fing 1929 mitten in der Wirtschaftskrise zu arbeiten an.
Aufgrund des Berufs seines Vaters war er für die Diamantenindustrie bestimmt und versuchte sich ein Jahr lang im Diamantenschnitt. Seine Leidenschaft für Musik entschied aber anders, und mit 18, inspiriert von seinen Idolen Duke Ellington und Bob Calloway, gründete er ein Amateur-Jazzorchester mit dem Namen „The Collegians“. Als echter Autodidakt stürzte er sich denn im Jazz, der damals keine konventionelle Musik war. Mit seinem Orchester, das er leitete und in dem sein Bruder Johnny das Schlagzeug spielte, gewann er zahlreichen Wettbewerben. So wurde er entdeckt und unterschrieb einen Vertrag mit dem flämischen Rundfunk, um die erste Jazz-Radiosendung der Welt zu moderieren.
In den 1930er Jahren organisierte Jacques eine Reihe von Konzerten in Brüssel und Antwerpen, bei denen unter anderem Duke Ellington und Louis Armstrong auftraten. Er trat öffentlich auch jedes Wochenende mit seinem Orchester bei Tanzabenden auf. In dieser Zeitperiode heiratete er auch 1935 Adela Rozenbaum, die er zehn Jahre vorher kennen lernte. Sie war die Nichte seines Vaters Geschäftspartners, und war mit 13 aus Miechów in Polen gekommen, um als Diamantschleiferin zu arbeiten. Zwei Jahre später wurde ihrer erste Sohn Jean geboren. So war Jacques am Beginn des Zweiten Weltkrieges in Antwerpen eingerichtet, verheiratet und Familienvater, völlig bei seiner musikalischen Leidenschaft für den Jazz engagiert.
Als der Krieg ausbrach, floh Jacques vor den Nazis und brachte seine Familie nach Clermont-Ferrand. Da er glaubte, dass die Lage sich normalisieren würde, und dass er nach den Vereinigten Staaten gehen könnte, kehrte er dann nach Antwerpen zurück. Ganz offensichtlich irrte er sich, und wurde am Heiligabend 1941 in einem Aufnahmestudio zusammen mit Felix Faecq, dem Vorsitzenden des belgischen Jazzclubs, verhaftet, weil sie amerikanische Musik aufgenommen und beworben hatten. Nach 23 Tagen im Gefängnis von Saint-Gilles wurden sie freigelassen. Immer noch optimistisch verließ er nur im November 1942 Antwerpen wieder, und flüchtete sich mit seiner Familie in die freie Zone in Villeneuve-de-Berg in Ardèche, wo sein zweiter Sohn Roland April 1943 geboren wurde. Von der Ankunft der ersten amerikanischen Truppen im Juni 1944 an kehrten Jacques und sein Bruder Johnny nach Antwerpen zurück. Aufgrund der Wechselfälle des Krieges wurde Jacques’ Familie im März 1945 nachkommen.
Am Ende des Zweiten Weltkrieges öffnete sich eine neue Ära, und Felix Faecq, der von seiner Mutter den Musikverlag World Music Company erhaltet hatte, bot ihm an, sich mit ihm zu assoziieren. Da sie schnell den Vorteil erkannten, die gesamte Kette der Musikproduktion zu beherrschen, gründeten sie ein Label mit dem Namen Victory, mit dem sie vor allem das Orchester von Ray Ventura und seinen neuen Sänger Henri Salvador unter Vertrag nahmen. Jacques organisierte auch Konzerte im Rahmen des Marshall-Plans für die in Deutschland stationierten amerikanischen Truppen. 1949 wurde sein dritter Sohn Ludovic geboren. Am Beginn der 50er Jahren profitierte er vom Wachstum der Plattenindustrie, angeführt von der Langspielplatte-Revolution[1]Jacques Kluger und Felix Faecq sind die ersten Vertreter Belgiens der Firma Mercury mit den neuen LP 25 und 30 Zentimeter, und öffnete mit Felix Faecq Tochtergesellschaften in London (Good Music), in Zusammenarbeit mit Ted Heat, in New-York (Zodiac Music), sowie Joint Ventures überall in der Welt. Da die hektische Zeit der Musikverlage dazu passte und Jacques ein Verlangen nach dem International hatte, fing er an, viel zu reisen – obwohl die Fahrten und Aufenthalte noch langdauernd waren – und profitierte von diesen Reisen, um sein Verlagsnetzwerk zu erweitern, und um sich mit Wesley Rose in Nashville (Everly Brothers, Roy Orbison), Ralph Peer in Los Angeles (Brazil Tico Tico), Jimmy Philips in London, Sugar in Italien und Rolf Marbot genauso wie der ikonische Verleger von Trenet, Bécaud und Aznavour Raoul Breton in Frankreich zu assoziieren. Mitten in dieser Besessenheit produzierte und exportierte er, neben weltweiten Copyrights wie Lullaby of Birdland, Welthits wie La Petite Valse („The Petite Waltz“), von dem es bis heute mehr als 200 Versionen gibt, darunter die Version von Errol Garner. So wurde er der Vater des flämischen Lieds als Verleger und Produzent des damaligen Künstlers Nr. 1 in Flandern, Bobbejaan Schoepen, aber auch von Bob Benny, Jean Walter, Will Tura oder Louis Neef. 1958 gründete er, immer noch mit Felix Faecq, eine neue Plattenfirma, Palette, die zahlreiche Welterfolge kannte, wie Manhattan Spiritual von Reg Owen und Hawaii Tattoo von The Waikikis.
Über die Musik hinaus mochte Jacques die Schöpfer, was auf Gegenseitigkeit beruhte. Er war auf der Suche nach Talent und widerstand ihm nicht, egal welcher Ort. So begegnete er viele Künstler, von denen er den Verlauf der Karriere ändern wurde, wie Annie Cordy, Eddie Constantine, der niederländische Texter Ernst Van Altena oder auch der Solist Alexis Weissenberg. Er war auch der erste Verleger von Jacques Brel in Brüssel war (Il peut pleuvoir), der Produzent von sechs Alben mit Dolf Van Der Linden und dem Orchester des niederländischen Rundfunks in Hilversum und von Alice Babs in Schweden. Er ermöglichte es auch dem Komponisten von Bluesette, Toots Thielemans, nach New York zu Georges Shearing zu gehen und mit Benny Goodman aufzunehmen. 1950 gab das amerikanische Label Bally Records bei ihm eine Reihe von Jazz-Alben in Europa in Auftrag, in Frankreich unter anderem mit dem Pianisten Claude Bolling, dessen Trauzeuge Jacques wurde.
Für Jacques folgte ein Projekt und ein Erfolg auf den anderen. Er produzierte mehrere Alben für die Marke Capitol in Los Angeles, darunter Jewish Music – Melodies Beloved the World Over, eine Aufnahme von 21 jüdischen Melodien, arrangiert und orchestriert von Benedict Silberman, begleitet vom niederländischen Rundfunk-Orchester.
Dieses Projekt war für ihn die Gelegenheit, seinen damals kürzlich verstorbenen Vater zu ehren, der ein großer Liebhaber traditioneller jüdischer Musik war. Seine Mutter, eine begabte Pianistin, half ihm zur Transkription der Lieder und Melodie, die sie auf dem Klavier im Wohnzimmer spielte, wenn sie die späten Schabbat-Abende für die zahlreichen Gäste ihres Mannes nach dem Verlassen der Synagoge unterhielt. Diese Platte, die ein gewisser Erflog kannte, wurde einige Zeit später von der Veröffentlichung einer zweiten Schallpatte 33 Umdrehungen mit dem Titel Jewish Memories verfolgt, die 14 neue Melodien enthält. Diese beiden Platten wurden zusammengestellt und mehrfach auf verschiedenen Medien wiederveröffentlicht, sei es als Audiokassette (The World of Traditional Jewish Memories) oder als CD (The Best Jewish Songs in the World, played by Benedict Silberman oder 30 greatest Jewish Songs, played by Benedict Silberman).
Ende der 1950er Jahre begannen seine beiden ältesten Söhne, Jean und später Roland, mit ihm zu arbeiten. Leider erkrankte er 1961 an der Charcot-Krankheit (ALS), die unheilbar ist und ihn sehr schnell daran hinderte, seine Tätigkeit fortzusetzen. Zwei Jahre später, am 26. Mai 1963, starb er im Alter von 51 Jahren und kürzte damit ein Leben voller Musik, Reisen und Begegnungen. Er schaffte in 15 Jahren, was ein ganzes Leben lang gefordert war, und lebte für seine Leidenschaft. Zu seinem Leidwesen und dem seiner Familie fehlte ihm nur eines: Die Zeit, es zu genießen.
Biografie erstellt im April 2022 von Arthur, einem der Urenkel von Jacques Kluger
1 | Jacques Kluger und Felix Faecq sind die ersten Vertreter Belgiens der Firma Mercury mit den neuen LP 25 und 30 Zentimeter |
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