2017: 120. Jubiläum des BUND
Der BUND, die Allgemeine Union jüdischer Arbeiter Litauens, Polens und Russlands, ist eine jüdische sozialistische Bewegung, welche Ende des 19. Jahrhunderts im Russischen Zarenreich gegründet wurde.
Der BUND befürwortet die Emanzipation der jüdischen Arbeiter, im Rahmen eines Kampfes für den Sozialismus und spricht sich darüber hinaus, für das Recht der Juden aus, eine säkulare jiddisch-sprachige Nationalität zu begründen. Damit stellte der BUND, sich sowohl dem Zionismus wie auch dem Bolschewismus entgegen, deren zentralisierende Tendenzen er anprangert.
Geschichte des BUND
Der BUND wurde am 7. Oktober 1897, in Wilna (Vilnius auf Jiddisch), von Anhängern des marxistischen Kreises der Stadt gegründet. Sein Ziel war die Vereinigung aller jüdischer Arbeiter des Russischen Zarenreichs, im Rahmen einer vereinigten sozialistischen Partei. Auch wenn der Begriff „jüdisch“ im Namen der Partei vorkommt, wollten ihre Gründer jedoch keine rein jüdische Partei gründen: es handelte sich vielmehr um die Sozialdemokraten, welche im jüdischen Milieu und in jiddischer Sprache arbeiteten. Für sie bedeutete die Partei eine Abspaltung von der sozialistischen Bewegung, welche im jüdischen Milieu vertreten war. Der BUND produzierte eine qualitativ hochwertige jiddischsprachige Untergrundpresse, welche den zaristischen Repressionen widerstand.
Der BUND war eine säkulare sozialistische Partei, welche sich gegen das wandte, was sie als reaktionäre Aspekte des jiddischen Lebens in Russland erachtete. Die Partei stieß bei den Rabbinern, welche das Vorgehen gegen den Zarismus verurteilten, auf Ablehnung. Die Gründung des BUNDs markierte den Bruch mit einer jüdischen Tradition, welche in den russischen Gemeinschaften verwurzelt war. Rachel Ertel zufolge wurde „für einige wurde der Atheismus zu einem Glaubensartikel, für welchen sie bereit waren zu sterben, wie ihre Väter bereit waren, für die ‚Heiligung des Namen‘ (Kiddusch Haschem) zu sterben“.
Der BUND lehnte den Zionismus entschieden ab, da er die Meinung vertrat, dass es sich bei der Emigration nach Palästina, um eine Art der Flucht nach vorn handeln würde. Auf dem 4. Kongress, bezeichnete der BUND „den Zionismus als eine Reaktion der Bourgeoisie gegen den Antisemitismus und die unnormale Lage des jüdischen Volkes. Der politische Zionismus, welcher sich die Schaffung eines Gebiets für das jüdische Volk zum Ziel setzt, kann weder den Anspruch erheben, die jüdische Frage zu lösen, […] noch das Volk als Ganzes zufriedenzustellen“ (Zitiert nach Henri Minczeles, Histoire générale du Bund, un mouvement révolutionnaire juif, Denoël, 1999, p. 68.).
Nach dem Einmarsch der Nazis spielten die Bundisten eine wichtige Rolle, im bewaffneten Widerstand der jüdischen Bevölkerung, gegen die Besetzung der Nazis. Die Tätigkeit des BUND wurde jedoch durch Stalins Repressionen erschwert. Als der Krieg voll im Gange war, befahl Stalin die Hinrichtung zweier der wichtigsten Führungspersönlichkeiten des BUND. Victor Alter und Henryk Erlich wurden im Dezember 1941 in Moskau erschossen. Die ebenso zynische wie falsche Anschuldigung lautete, dass es sich bei den beiden, um Agenten aus Nazi-Deutschland handeln würde. Ein Vertreter des BUND, Samuel Zygelboym, war während des Zweiten Weltkriegs in der polnischen Regierung in London und beging 1943 Selbstmord, um gegen die Untätigkeit der Alliierten, angesichts der anhaltenden Shoah zu protestieren. Der BUND spielte auch eine wichtige Rolle im Warschauer Ghettoaufstand und war ein wichtiger Bestandteil der Jüdischen Kampforganisation, in welcher Marek Edelman den BUND vertrat.
Jahrhundert formal noch als Jüdischer Arbeiterbund, eine mit der Sozialistischen Internationale assoziierte Organisation, existiert, doch die Shoah hat die Völker, in denen der Bund verwurzelt war, ausgelöscht. New York ist seine internationale Basis, nur in der Diaspora, in Australien, Großbritannien, Israel und in Frankreich mit dem Medem Arbeter Ring Centre bestehen noch Sektionen.
Vladimir Medem (nebenstehend) gilt als der bedeutendste Theoretiker des Bund
Jiddische Revolutionslieder
Ob auf Französisch, Jiddisch, Spanisch, Italienisch, Deutsch oder Russisch – alle revolutionären Lieder drücken das gleiche Gefühl und die gleichen Sehnsüchte aus. Das Gefühl derer, die sich gegen eine Ordnung auflehnen, die zum Vorteil einer Minderheit errichtet wurde. Die Parole der Revolte, die entsteht, wenn derjenige, der es satt hat, alles zu erdulden, ruft: “Es reicht!
Diese Lieder zeugen von der Grausamkeit der Jahre des Elends, der Ausbeutung und der Diktatur, aber auch von der Hoffnung auf eine bessere Welt, die frei von Ungerechtigkeit und Krieg sein sollte.
Der Bund spielte eine entscheidende Rolle bei der Unterstützung jiddischer Kulturkreise sowie von Musik- und Theaterensembles.
Viele revolutionäre Lieder wurden auf Jiddisch geschrieben, von Autoren wie David Edlestadt, Mordkhay Gebirtig und Morris Winchevsky, oder einfach auf der Straße kreiert und von den Massen bei Demonstrationen skandiert. Im Folgenden werden einige der Autoren dieser Kampflieder vorgestellt.
Shalom Anski
Shloyme Zanvl Rappoport (1863 – 1920), bekannt unter dem Pseudonym Sh. Anski, war ein Schriftsteller, Journalist, Ethnograph und Spezialist für jüdische Folklore und jiddische Kultur. Er wurde vor allem als Autor des jiddischen Literaturklassikers Der Dibbuk bekannt und schrieb außerdem auch zwei Lieder für den BUND: Tsum Bund (An den Bund) und Di Shvue (Der Schwur). Letzteres Lied wurde 1902 geschrieben, wurde zur BUND-Hymne und wird bei Gedenkfeiern sowie am 19. April in Gedenken an den Warschauer Ghettoaufstand gesungen.
Di Shvue, vom Workmen’s Circle chorus
Hirsh Glick
Hirsh Glick (1922-1944) war ein jüdischer Dichter und Partisan aus Litauen. Im Alter von 13 Jahren schrieb er erste Gedichte auf Hebräisch, welche in der lokalen jüdischen Presse erschienen und dann unter dem Einfluss der Yung Vilna („Junges Wilna“), einer Gruppe jüdischer Dichter und Zeichner, schrieb er auf Jiddisch, seiner Muttersprache. Yung Vilna wurde, unter dem Einfluss von Leizer Wolf, die wichtigste Gruppe von Yung Vald („Junger Wald“), deren bekanntester Dichter Hirsh Glick war. Nach der Operation Barbarossa (dem Angriff der Armee des nationalsozialistischen Regimes auf die Sowjetunion im Jahr 1941) wurde Hirsh Glick, gemeinsam mit seinem Vater zunächst in das Arbeitslager Baltoji Vokė und dann nach Rzeza gebracht. Obwohl körperlich geschwächt, schrieb er weiterhin hoffnungsvolle Gedichte, welche seinen Mitgefangenen Trost spendeten. Er schickte seine Gedichte an seine Freunde im Ghetto von Wilna, wo sie in lokalen Zeitschriften veröffentlicht wurden und sogar Wettbewerbe gewannen.
Als 1943 das Lager Rzeza, wegen seiner Verbindungen zu den Partisanen liquidiert wurde, wurde Glick ins Ghetto verlegt, wo er am kulturellen Leben, aber auch am Kampf im Untergrund teilnahm, zusammen mit der Fareynikte Partizaner Organizatsye („Vereinigte Partisanenorganisation“). Hirsh beteiligte sich an Sabotageaktionen und bereitete einen Ghettoaufstand vor. 1943, als die Nachricht vom Aufstand im Warschauer Ghetto, den Juden von Wilna zu Ohren kam, schrieb Hirsh Glick im Wilnaer Ghetto das jüdische Partisanenlied (Zog nit keyn mol – Sag niemals nie). Dieses heroisches Lied erscheint als Zeugnis des Glaubens an das Überleben der Juden, sowie ihres finalen Siegs. Er verherrlicht den Kampf der Juden gegen die Nazis. Das Lied wurde sofort als Hymne des Wilnaer Ghetto-Widerstands und in anderen Ghetto aufgegriffen.
David Edelstadt
David Edelstadt (1866-1892) war ein russischer anarchistischer Dichter und Arbeiter. In eine russische Familie jüdischer Abstammung hineingeboren, wurde sein Vater, Moses Edelstadt, über fast 25 Jahre hinweg, in der Armee des Zaren zwangsverpflichtet, eine häufig gegen Juden verwendete Maßnahme. Am 8. Mai 1881 wurde er von einem Pogrom schwer verletzt, bei welchem die Juden aus der Region Kiew und Umgebung gewaltsam angegriffen wurden. Nach seinem Krankenhausaufenthalt machte er mit einem Arzt Bekanntschaft, welcher vielen Juden zur Flucht in die Vereinigten Staaten verhalf. Mit Hilfe eben dieses Arztes wanderte er 1882, in die Vereinigten Staaten aus. In dieser Zeit begann er Jiddisch statt Russisch zu sprechen. Anschließend wurde er Redakteur der anarchistischen Wochenzeitung Fraye Arbeter Shtime (Die Stimme des freien Arbeiters). Zu seinen vertonten Gedichten gehören Mayn tsavoe (Mein Testament) und In Kamf (Zum Kampf).
Mordkhay Gebirtig
Mordkhay Gebirtig (1877 – 1942) war ein polnisch-jüdischer jiddisch-sprachiger Dichter und Komponist. Er engagierte sich im BUND: Seiner Meinung nach sollte das jüdische Leben in Polen (und nicht in Palästina) weitergehen; der Sozialismus sollte die Religion ersetzen und Jiddisch sollte die Sprache der jüdischen Massen werden. Er schrieb an die hundert Lieder, nur selten waren sie bar jeder sozialer Bedeutung, vom Wiegenlied über das Nostalgielied, bis zum Revolutionslied (Arbetlozer Sumpf). Das bekannteste seiner Lieder ist zweifellos Undzer shtetl brent (Unser Dorf brennt), ein Aufstandslied, welches 1938 nach dem Pogrom von Przytyk geschrieben und von den Kämpfern der Ghettos aufgegriffen wurde.
Er wurde am 4. Juni 1942, im Ghetto von Krakau ermordet.
Zahlreiche andere jüdische Autoren, wie Avrom Reysen, Y.L. Peretz, Nokhem Yud oder S. Lehman haben revolutionäre Lieder oder Gedichte geschrieben, welche vertont wurden.
Quellen :
– Wikipedia
– Centre Medem Arbeter Ring
– Histoire Générale du BUND de H. Minczeles
Hören Sie sich die Playlist an Revolutionäre jiddische Lieder
Lesen Sie den Artikel über die CD In Love And Struggle, The Musical Legacy of the Jewish Labor Bund
Erfahren sie mehr über den BUND und schauen Sie sich die Internetseite des Centre Medem an