Die Slichot sind Gebete der Buße und Reue, mit denen der Gläubige bei Gott, für die begangenen Sünden, um Vergebung bittet. Dieser Brauch basiert auf den 13 göttlichen Attributen der Barmherzigkeit, die der Überlieferung nach, Moses von Gott übergeben wurden. Bei den 13 Attributen handelt es sich um die folgenden: „Der HERR ist der HERR, ein barmherziger und gnädiger Gott, langmütig und reich an Huld und Treue: Er bewahrt tausend Generationen Huld, nimmt Schuld, Frevel und Sünde weg, aber er spricht nicht einfach frei, er sucht die Schuld der Väter bei den Söhnen und Enkeln heim, bis zur dritten und vierten Generation.“ (Exodus 34, 6-7)
Ein Großteil der liturgischen Poesien (Pijjut) wurde über die Jahrhunderte hinweg, zur Veranschaulichung der Verkündigung dieser dreizehn Attribute, verfasst. Diese auf dem Gedanken der Vergebung basierten Gedichte werden Slichot genannt.
Ursprünglich wurden die Slichot während der Jom-Kippur und zu Fastengottesdiensten gelesen. Dann weitete sich der Brauch, auf die 10 Tage (Jamim Noraim), zwischen Rosch ha-Schana und Kippur, aus. Ab der Epoche der Geonim (6. Bis 9. Jahrhundert) ging man dazu über, sie montags und donnerstags, nach dem Amida des Morgengebets, zu sprechen.
In den aschkenasischen und chassidischen Gemeinschaften werden die Slichot an dem Samstag, welcher dem Fest Rosch ha-Schana (um mindestens vier Tage) vorausgeht, gesprochen. In den sephardischen Gemeinschaften wiederum, werden sie, ab dem 1. Elul, vierzig Tage lang bei Sonnenaufgang und vor dem Morgengebet, gelesen. In Israel wiederum, herrscht der Brauch, sie mitten in der Nacht zu rezitieren. Nach der Zerstörung des zweiten Tempels von Jerusalem wurden die Slichot in besonderen Situationen gelesen, besonders in Zeiten der Regenknappheit. Man spricht sie überdies auch in bestimmten Fastenzeiten.
Die unterschiedlichen Riten haben jeweils eigene Texte und Bräuche. Der Stil der Slichot entwickelte sich über die Zeit hinweg. Somit ist das Auftreten von Strophen und Reimen mit dem byzantinischen, syrischen und arabischen ästhetischen Kanon verbunden. Daraus entstanden Poesien mit Strophen, bestehend aus zwei Versen (Shniyot), drei Versen (Shlishiyot) und vier Versen (Shalmoniyot).
Bestimmte Slichot – wie Adon haselihot, Atanou lehalot, Ben Adam, El erekh apayim, El melekh yoshev – sind in vielen Gemeinschaften verbreitet. Dabei blieben die Autoren der Gedichte größtenteils unbekannt. Dennoch wurden die Namen einiger weniger überliefert, wie etwa der des berühmten Moïse Ibn Ezra (1055 – nach 1135) mit dem Beinamen ha-Sallah („Autor der Slichot“). Schließlich sind eine bestimmte Anzahl an Slichot auch als Akrostichon verfasst (Anfangsbuchstaben der Verszeilen folgen in alphabetischer Reihenfolge, ein Beispiel hierfür ist das Selicha Ashamnou mikol ’am); nicht selten erscheint der Name des Autors als Akrostichon, nach der alphabetischen Reihenfolge.
Quellen:
– Dictionnaire encyclopédique du judaïsme, coll. Bouquin, Ed. Cerf / Robert Laffont, pp 939-940
– Slichot, Wikipedia
Anhören:
Die Slichot im aschkenasischen Ritus Westeuropas
Die Slichot im aschkenasischen Ritus Osteuropas
Die Slichot im hispanisch-portugiesischen Ritus
Die Slichot im italienischen Ritus
Die Slichot im marokkanischen Ritus
Die Slichot im tunesischen Ritus
Die Slichot im algerischen Ritus
Die Slichot im türkischen Ritus